Wieder eine neu rechte Partei, dachte ich widerwillig, als 2013/14 die ersten AfD-Plakate an den Laternenmasten hingen. Deren rapider Aufwind versetzte mich in einen politischen Lähmungszustand. Wie konnte es sein, dass eine offen rechte bis rechtsradikale Partei in Deutschland im 21. Jahrhundert derart erfolgreich war? Die Betroffenheit, „Das kann nicht wahr sein“ und „Wie können die nur so blöd sein“ (Wähler*innen ebenso wie Mitglieder der AfD) brachte an der Stelle keinen Schritt weiter.
Simons Zugang, einen Film über die AfD und ihre Strukturen zu machen, sie auf allen Hierarchieebenen von der Basis bis zur Bundesebene zu beobachten und zu analysieren erschien mir wie ein emanzipatorischer Befreiungsschlag: raus aus der mentalen Erstarrung. Den Kopf aus dem Sand heben und rein in die Höhle des Löwen – diese Bewegung, vollzogen mit der Kamera, arbeitet entgegen dem Reflex „Es darf nicht sein, also sehe ich nichts“: Die Kamera sieht hin. Sie vollzieht diese Handlung (zunächst) nicht wertend, sondern beobachtend.
Die AfD ist ein Mikrokosmos aus Einzelpersonen, Tendenzen, Strömungen, Flügeln. In der AfD gibt es mittlerweile Schwule, Lesben, Jüd*innen und Migrant*innen, einige wenige Schwarze und vereinzelte Trans*menschen. Es gibt frustrierte Alt-68er, CDU-ler, FDPler… und ehemalige Linksextreme. Und Rechtsextreme. Es gibt Protestwähler*innen und die, die aus tiefster rassistischer Überzeugung heraus der AfD beitreten.
Eine eingleisige Erklärung für den Erfolg der Partei ist nicht zu geben. Viele haben sich über sie empört, es hat sie eher gestärkt und ihr zu medialer Aufmerksamkeit verholfen. Sich über sie lustig zu machen verkennt den Ernst der Lage und die durchaus geschickten Schachzüge, die einige der AfD-Spieler ziehen.
Was macht der Film anders? Er möchte das Phänomen AfD in seiner Vielschichtigkeit begreifen, Strukturen und Mechanismen analysieren. Er macht die Partei nicht zum Dämon und nicht zum Opfer. Stattdessen sucht er nach einer realistischen Einschätzung. Damit holt er uns in eine Beweglichkeit und Handlungsfähigkeit zurück. Nicht alle AfDler*innen sind handfeste Rechtsradikale. Aber es gelingt der AfD, Unruhe ins politische Leben zu bringen, Diskurse zu verschieben, Strukturen zu blockieren, Vereine handlungsunfähig zu machen, und in der Folge andere Parteien in ihren Strukturen und Inhalten zu erschüttern. Die gesellschaftlichen Folgen sind schmerzhaft sichtbar.
Filmisch interessant wird er dadurch, über eine ästhetische Sprache durchaus eine klare Haltung zu transportieren. Durch den fehlenden Kommentar öffnet der Film die Möglichkeit, sich selbst einer Haltung anzunähern, die aus der Beobachtung entsteht, als sich gegen einen tendenziösen Kommentar abgrenzen zu wollen, der uns noch einmal sagt, was wir längst sehen.