“Seit Homers Zeiten haben die Menschen daran gearbeitet, Zorn und Gewalt zu kontrollieren. Es entstanden Gesetze, es entstand die Strafjustiz, es entstanden Gefängnisse. Für die Zeit der Strafe waren Opfer und Täter:innen streng getrennt.“
Hubertus Siegert, Regisseur von BEYOND PUNISHMENT
Drei Verbrechen – Drei Strafen – Drei Konflikte
Drei Männer, die getötet haben, und drei Familien, die jemanden verloren haben. In der üblichen Vorstellung von Schuld und Strafe ergibt das drei, die bestraft werden, und drei, die vergessen sollen. Undenkbar, dass sich beide Seiten annähern. Der Film beobachtet dreimal das Unmögliche: Seinem Feind zu begegnen, in Gedanken, in Botschaften, im realen Leben, in Deutschland, in Norwegen und in den USA.
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Deutschlandweit wurde BEYOND PUNISHMENT in 39 Gefängnissen vor hunderten von Straffälligen und zahlreichen Gefängnismitarbeitern, Sozialarbeitern, Juristen usw. gezeigt. Der Regisseur Hubertus Siegert war bei 15 Vorführungen anwesend. Es fanden Filmgespräche und Diskussionen statt, die zeigten, welche Chancen der Film gerade den Betroffenen für die Betrachtung des Themas eröffnet.
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Uraufführung: Saarbrücken Max Ophüls Preis 2015
Deutscher Filmstart (Verleih Piffl Medien): 04.06.2015
ZDF/3sat, BKM, Hessische Filmförderung, FFA
NORWEGEN
Eine Jugendliebe in Norwegen endet in einem Mord als Stian seine sechzehnjährige Freundin Ingrid-Elisabeth aus Eifersucht tötet. Für ihren Vater Erik ist es nur schwer zu ertragen, dass Stian bereits nach wenigen Jahren das erste Mal auf Hafturlaub in seine Heimatstadt, an den Ort des Geschehens, zurückkehren darf. Er hat Angst, Stian zu begegnen.
USA
Leola und Lisa leben in der New Yorker Bronx, unweit des Supermarkts, wo ihr damals sechzehnjähriger Sohn und Bruder erschossen wurde. Seit mittlerweile elf Jahren warten Mutter und Tochter darauf, dass der zu 40 Jahren Gefängnis Verurteilte damals 21-Jährige Sean die Tat zugibt.
DEUTSCHLAND
Patricks Vater Gerold von Braunmühl, ein hoher Beamter im Außenministerium, wurde 1986 von der linksmilitanten Rote Armee Fraktion (RAF) getötet. Trotz eines Bekennerschreibens, das damals in der Nähe des Tatortes hinterlassen wurde, bleiben die genauen Täter:in bis heute unbekannt. So ist Patrick die Möglichkeit verwehrt geblieben, sich mit den Mördern seines Vaters direkt auseinanderzusetzen.
JANINE GESKE
Die ehemalige Richterin und Jura-Professorin ist Befürworterin von „Restorative Justice“. 2005 gründete sie die „Restorative Justice Initiative“: „Es geht hier um Folgendes: Wer wurde verletzt und welche Auswirkungen hatte diese Verletzung? Welcher Art war die Verletzung? Und wie kann man diese Verletzung wieder heilen?“
Als Restorative Justice wird ein die traditionelle Vergeltungslogik und Strafphilosophien überwindendes Gerechtigkeitskonzept bezeichnet, das den Fokus dabei auf das erlittene Leid und dessen Wiedergutmachung legt.
Die UN-Resolution „UN Basic Principles on Restorative Justice“ beschreibt dies wie folgt: „Jegliches Verfahren, in welchem das Opfer, der Täter:innen sowie andere Subjekte oder Gemeinschaften, die von einer Straftat betroffen sind, aktiv und gemeinsam an der Lösung und Bereinigung der Folgen, die sich aufgrund der Straftat ergeben haben, arbeiten; in der Regel mit Unterstützung einer aussenstehenden Fachperson“.
In Deutschland findet Restorative Justice im Rahmen des Täter:innen-Opfer-Ausgleichs (TOA) statt.
Durch professionelle Vermittlung eines unbeteiligten Dritten sollen Täter:innen und Opfer darin unterstützt werden, eine von beiden akzeptierte Wiedergutmachung des durch eine Straftat entstandenen Schadens miteinander zu vereinbaren. In den 1980er Jahren gab es mehrere private Initiativen, die Täter:innen-Opfer-Ausgleich-Projekte mit straffälligen Jugendlichen durchführten. Aufgrund der positiven Erfahrungen wurde 1990 der Täter:innen-Opfer-Ausgleich im Jugendgerichtsgesetz gesetzlich verankert. 1994 folgte eine gesetzliche Regelung im Strafgesetzbuch für den Erwachsenenbereich, Anfang 2000 eine Bestimmung in der Strafprozessordnung.
Weltweit gibt es insbesondere zwei Expertinnen, die im Bereich Restorative Justice forschen und die enorme gesellschaftliche Relevanz dieser Praxis immer wieder nachweisen: Zum einen die Protagonistin des Filmes Richterin Janine Geske (USA) und die Kriminologin Kristel Buntinx (Belgien).
Strafe ist etwas zutiefst Menschliches. Es gibt keine Gesellschaft, keine Religion, die auf Strafe verzichtet.
Die Strafe begleitet die Menschen seit Urzeiten.
Ursprünglich basierte Strafe auf dem Bedürfnis nach Ausgleich für erlittenes Unrecht, sei es durch Leistungen der Wiedergutmachung, sei es durch Rache.
Strafe dient seit jeher auch einem Bedürfnis nach Reinigung. Schon Platon benennt alle diese Aspekte, dass man Menschen, die Unrecht begingen, so lange strafen solle, bis sie man sie wieder in rechte Bahn gelenkt habe: „Niemand straft den Missetäter, weil er sich vergangen hat – denn das Geschehene kann er nicht ungeschehen machen – sondern um des Künftigen willen, auf daß weder der Täter selbst wieder Unrecht tue noch ein anderer, der Zeuge seiner Züchtigung war.“ Also Strafe als Resozialisierung (Besserungstheorie) und als Abschreckung (Abschreckungstheorie). Beide Blickrichtungen sind Teil unseres heutigen Strafrechts.
Nicht angelegt ist die Klärung zwischen Tatverantwortlichen und Tatbetroffenen, stattdessen treten das Urteil und dessen Strafmaß alles verdeckend in den Vordergrund.
Wenn ein Kind geboren wird, stellt sich bald die Frage nach der richtigen Erziehung – so erging es auch dem Regisseur Hubertus Siegert. Gemeinsam mit der Mutter des Kindes wurde ihm bewusst, dass das Konzept der Strafe in ihrer Erziehung praktisch keine Rolle spielt. Wohingegen er bei anderen Eltern Strafe als maßgebliches Erziehungselement erlebte.
Er traf den US-amerikanischen Psychologen Marshall B. Rosenberg, der das Konzept der Gewaltfreien Kommunikation entwickelte und nutze Gelegenheiten seine Arbeitsweise näher kennenzulernen. Welchen Einfluss hat Gewaltfreie Kommunikation auf das Konzept der Strafe? Und was würde passieren, wenn dieses Prinzip auf die übliche Betrachtungsweise von “Täter:in” und “Opfer” von Gewalttaten angewandt würde?
Er begann zu recherchieren, ob dies Stoff für einen Film sein könnte. Schnell wurde klar: Es gab schon viele Filme über Gefängnisse. Allerdings keinen, der nicht polarisierte. Es gab Filme, die forderten mehr Strafe. Die anderen wollten weniger Strafe und mehr Förderung der Gefängnisinsassen. Allerdings entstand in keinem der Filme eine Entwicklung, die man beobachten konnte. Stattdessen lediglich Positionen, die man einnehmen oder ablehnen konnte.
„Die Leidtragenden der Opferseite bleiben emotional an die Vergangenheit gebunden, fühlen sich weiterhin als ohnmächtige Opfer der tragischen Ereignisse und von Staat und Gericht bisweilen furchtbar allein gelassen. Auch die andere Seite stagniert: In dem hermetischen System aus Strafverteidiger, Richter, Staatsanwalt, Gefängnisbediensteten und forensischem Gutachter wird den Delinquenten häufig beigebracht, ihre Vergehen maximal runterzuspielen und sich gleichzeitig „reumütig“ zu zeigen, um die Strafe möglichst gering zu halten.“ (Hubertus Siegert)
Also machte sich Siegert auf den Weg, besuchte zahlreiche Gefängnisse in den USA, Deutschland und Norwegen, traf auf Mörder und Opfer – und fand Menschen, die revolutionäre Konzepte umsetzten, wie zum Beispiel die Jura-Professorin und ehemalige Richterin Janine Geske.
Zunächst drehte der Regisseur Hubertus Siegert alles alleine – zum einen weil der Film in dieser Phase noch nicht finanziert war. Aber vor allem, weil die Protagonisten in einem Zweier-Arrangement sich leichter auf die schwierigen Themen einlassen konnten. Es waren sehr ruhige Drehs. Später übernahmen Markus Winterbauer und Jenny-Lou Ziegler die Kameraarbeit.
Während des Schnittes trifft der Regisseur eine eine radikale Entscheidung: Nirgends im Film gibt es Musik, nicht mal im Abspann: „Anne Fabini hatte den Film zunächst ohne Musik geschnitten und als ich den Rohschnitt anschaute wurde mir bewusst: Das ist es! Ich wollte keine ‚Stimmung‘ machen, keinen ‚musikalischen Kommentar‘.“
„Hubertus Siegert stellt Verbindungen zwischen Tätern und Hinterbliebenen her, er ist weit mehr als nur Beobachter. Er zeichnet starke Bilder, fängt beklemmende Momente der Stille ein und porträtiert so die Beteiligten dreier Morde, die endlich damit abschließen wollen. Am Ende kann man das Innenleben von Tätern und Opfern erahnen.“
Zitty, Johann Voigt
„Aufwühlender Film, der unsere Vorstellung von Schuld und Sühne in Frage stellt. Packend!“
TV Movie Digital
„Siegert sucht nach den Gefühlszuständen jenseits von Strafe und Vergeltung, beobachtet, wie sich die Hinterbliebenen langsam mit der direkten Konfrontation mit dem Täter auseinandersetzen. Siegert hat sich für den – einzig richtigen – Weg der distanzierenden Beobachtung entschieden.“
Badische Zeitung
„In einer der erschütterndsten Szenen schildert Lisa, wie sie hin- und hergerissen ist zwischen Hass und Vergebung. Der Hass ist ihr Dämon, er hetzt und würgt sie, und wenn Lisa dem Mörder ihres Bruders vergeben würde, dann hätte ihre Seele endlich Ruh. Nein, fällt sich diese großartige junge Frau selbst ins Wort, das wäre ein Tauschhandel, eine billige Ökonomie des Verzeihens, mit der sie ihren Bruder verraten würde.“
DIE ZEIT
BEYOND PUNISHMENT wurde auf dem 36. Filmfestival Max Ophüls Preis uraufgeführt und erhielt dort die Auszeichnung Bester Dokumentarfilm 2015. Außerdem wurde er nominiert für den Deutschen Filmpreis, Hessischen Filmpreis und mit dem Metropolis-Preis des Bundesverbands Regie für die beste Dokumentarfilmregie ausgezeichnet.
98 min, 1:1.85, DCP 5.1 © S.U.M.O. Film 2015
Drehbuch, Regie, Produktion: Hubertus Siegert
Schnitt: Anne Fabini
DOP: Marcus Winterbauer, Jenny Lou Ziegel
Sound department: André Zacher
Koproduktion: Udo Bremer, ZDF/3sat; Christian Popp, DOCDAYS
“Seit Homers Zeiten haben die Menschen daran gearbeitet, Zorn und Gewalt zu kontrollieren. Es entstanden Gesetze, es entstand die Strafjustiz, es entstanden Gefängnisse. Für die Zeit der Strafe waren Opfer und Täter:innen streng getrennt.“
Hubertus Siegert, Regisseur von BEYOND PUNISHMENT
Drei Verbrechen – Drei Strafen – Drei Konflikte
Drei Männer, die getötet haben, und drei Familien, die jemanden verloren haben. In der üblichen Vorstellung von Schuld und Strafe ergibt das drei, die bestraft werden, und drei, die vergessen sollen. Undenkbar, dass sich beide Seiten annähern. Der Film beobachtet dreimal das Unmögliche: Seinem Feind zu begegnen, in Gedanken, in Botschaften, im realen Leben, in Deutschland, in Norwegen und in den USA.
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Deutschlandweit wurde BEYOND PUNISHMENT in 39 Gefängnissen vor hunderten von Straffälligen und zahlreichen Gefängnismitarbeitern, Sozialarbeitern, Juristen usw. gezeigt. Der Regisseur Hubertus Siegert war bei 15 Vorführungen anwesend. Es fanden Filmgespräche und Diskussionen statt, die zeigten, welche Chancen der Film gerade den Betroffenen für die Betrachtung des Themas eröffnet.
Mehr...
Uraufführung: Saarbrücken Max Ophüls Preis 2015
Deutscher Filmstart (Verleih Piffl Medien): 04.06.2015
ZDF/3sat, BKM, Hessische Filmförderung, FFA
NORWEGEN
Eine Jugendliebe in Norwegen endet in einem Mord als Stian seine sechzehnjährige Freundin Ingrid-Elisabeth aus Eifersucht tötet. Für ihren Vater Erik ist es nur schwer zu ertragen, dass Stian bereits nach wenigen Jahren das erste Mal auf Hafturlaub in seine Heimatstadt, an den Ort des Geschehens, zurückkehren darf. Er hat Angst, Stian zu begegnen.
USA
Leola und Lisa leben in der New Yorker Bronx, unweit des Supermarkts, wo ihr damals sechzehnjähriger Sohn und Bruder erschossen wurde. Seit mittlerweile elf Jahren warten Mutter und Tochter darauf, dass der zu 40 Jahren Gefängnis Verurteilte damals 21-Jährige Sean die Tat zugibt.
DEUTSCHLAND
Patricks Vater Gerold von Braunmühl, ein hoher Beamter im Außenministerium, wurde 1986 von der linksmilitanten Rote Armee Fraktion (RAF) getötet. Trotz eines Bekennerschreibens, das damals in der Nähe des Tatortes hinterlassen wurde, bleiben die genauen Täter:in bis heute unbekannt. So ist Patrick die Möglichkeit verwehrt geblieben, sich mit den Mördern seines Vaters direkt auseinanderzusetzen.
JANINE GESKE
Die ehemalige Richterin und Jura-Professorin ist Befürworterin von „Restorative Justice“. 2005 gründete sie die „Restorative Justice Initiative“: „Es geht hier um Folgendes: Wer wurde verletzt und welche Auswirkungen hatte diese Verletzung? Welcher Art war die Verletzung? Und wie kann man diese Verletzung wieder heilen?“
Als Restorative Justice wird ein die traditionelle Vergeltungslogik und Strafphilosophien überwindendes Gerechtigkeitskonzept bezeichnet, das den Fokus dabei auf das erlittene Leid und dessen Wiedergutmachung legt.
Die UN-Resolution „UN Basic Principles on Restorative Justice“ beschreibt dies wie folgt: „Jegliches Verfahren, in welchem das Opfer, der Täter:innen sowie andere Subjekte oder Gemeinschaften, die von einer Straftat betroffen sind, aktiv und gemeinsam an der Lösung und Bereinigung der Folgen, die sich aufgrund der Straftat ergeben haben, arbeiten; in der Regel mit Unterstützung einer aussenstehenden Fachperson“.
In Deutschland findet Restorative Justice im Rahmen des Täter:innen-Opfer-Ausgleichs (TOA) statt.
Durch professionelle Vermittlung eines unbeteiligten Dritten sollen Täter:innen und Opfer darin unterstützt werden, eine von beiden akzeptierte Wiedergutmachung des durch eine Straftat entstandenen Schadens miteinander zu vereinbaren. In den 1980er Jahren gab es mehrere private Initiativen, die Täter:innen-Opfer-Ausgleich-Projekte mit straffälligen Jugendlichen durchführten. Aufgrund der positiven Erfahrungen wurde 1990 der Täter:innen-Opfer-Ausgleich im Jugendgerichtsgesetz gesetzlich verankert. 1994 folgte eine gesetzliche Regelung im Strafgesetzbuch für den Erwachsenenbereich, Anfang 2000 eine Bestimmung in der Strafprozessordnung.
Weltweit gibt es insbesondere zwei Expertinnen, die im Bereich Restorative Justice forschen und die enorme gesellschaftliche Relevanz dieser Praxis immer wieder nachweisen: Zum einen die Protagonistin des Filmes Richterin Janine Geske (USA) und die Kriminologin Kristel Buntinx (Belgien).
Strafe ist etwas zutiefst Menschliches. Es gibt keine Gesellschaft, keine Religion, die auf Strafe verzichtet.
Die Strafe begleitet die Menschen seit Urzeiten.
Ursprünglich basierte Strafe auf dem Bedürfnis nach Ausgleich für erlittenes Unrecht, sei es durch Leistungen der Wiedergutmachung, sei es durch Rache.
Strafe dient seit jeher auch einem Bedürfnis nach Reinigung. Schon Platon benennt alle diese Aspekte, dass man Menschen, die Unrecht begingen, so lange strafen solle, bis sie man sie wieder in rechte Bahn gelenkt habe: „Niemand straft den Missetäter, weil er sich vergangen hat – denn das Geschehene kann er nicht ungeschehen machen – sondern um des Künftigen willen, auf daß weder der Täter selbst wieder Unrecht tue noch ein anderer, der Zeuge seiner Züchtigung war.“ Also Strafe als Resozialisierung (Besserungstheorie) und als Abschreckung (Abschreckungstheorie). Beide Blickrichtungen sind Teil unseres heutigen Strafrechts.
Nicht angelegt ist die Klärung zwischen Tatverantwortlichen und Tatbetroffenen, stattdessen treten das Urteil und dessen Strafmaß alles verdeckend in den Vordergrund.
Wenn ein Kind geboren wird, stellt sich bald die Frage nach der richtigen Erziehung – so erging es auch dem Regisseur Hubertus Siegert. Gemeinsam mit der Mutter des Kindes wurde ihm bewusst, dass das Konzept der Strafe in ihrer Erziehung praktisch keine Rolle spielt. Wohingegen er bei anderen Eltern Strafe als maßgebliches Erziehungselement erlebte.
Er traf den US-amerikanischen Psychologen Marshall B. Rosenberg, der das Konzept der Gewaltfreien Kommunikation entwickelte und nutze Gelegenheiten seine Arbeitsweise näher kennenzulernen. Welchen Einfluss hat Gewaltfreie Kommunikation auf das Konzept der Strafe? Und was würde passieren, wenn dieses Prinzip auf die übliche Betrachtungsweise von “Täter:in” und “Opfer” von Gewalttaten angewandt würde?
Er begann zu recherchieren, ob dies Stoff für einen Film sein könnte. Schnell wurde klar: Es gab schon viele Filme über Gefängnisse. Allerdings keinen, der nicht polarisierte. Es gab Filme, die forderten mehr Strafe. Die anderen wollten weniger Strafe und mehr Förderung der Gefängnisinsassen. Allerdings entstand in keinem der Filme eine Entwicklung, die man beobachten konnte. Stattdessen lediglich Positionen, die man einnehmen oder ablehnen konnte.
„Die Leidtragenden der Opferseite bleiben emotional an die Vergangenheit gebunden, fühlen sich weiterhin als ohnmächtige Opfer der tragischen Ereignisse und von Staat und Gericht bisweilen furchtbar allein gelassen. Auch die andere Seite stagniert: In dem hermetischen System aus Strafverteidiger, Richter, Staatsanwalt, Gefängnisbediensteten und forensischem Gutachter wird den Delinquenten häufig beigebracht, ihre Vergehen maximal runterzuspielen und sich gleichzeitig „reumütig“ zu zeigen, um die Strafe möglichst gering zu halten.“ (Hubertus Siegert)
Also machte sich Siegert auf den Weg, besuchte zahlreiche Gefängnisse in den USA, Deutschland und Norwegen, traf auf Mörder und Opfer – und fand Menschen, die revolutionäre Konzepte umsetzten, wie zum Beispiel die Jura-Professorin und ehemalige Richterin Janine Geske.
Zunächst drehte der Regisseur Hubertus Siegert alles alleine – zum einen weil der Film in dieser Phase noch nicht finanziert war. Aber vor allem, weil die Protagonisten in einem Zweier-Arrangement sich leichter auf die schwierigen Themen einlassen konnten. Es waren sehr ruhige Drehs. Später übernahmen Markus Winterbauer und Jenny-Lou Ziegler die Kameraarbeit.
Während des Schnittes trifft der Regisseur eine eine radikale Entscheidung: Nirgends im Film gibt es Musik, nicht mal im Abspann: „Anne Fabini hatte den Film zunächst ohne Musik geschnitten und als ich den Rohschnitt anschaute wurde mir bewusst: Das ist es! Ich wollte keine ‚Stimmung‘ machen, keinen ‚musikalischen Kommentar‘.“
„Hubertus Siegert stellt Verbindungen zwischen Tätern und Hinterbliebenen her, er ist weit mehr als nur Beobachter. Er zeichnet starke Bilder, fängt beklemmende Momente der Stille ein und porträtiert so die Beteiligten dreier Morde, die endlich damit abschließen wollen. Am Ende kann man das Innenleben von Tätern und Opfern erahnen.“
Zitty, Johann Voigt
„Aufwühlender Film, der unsere Vorstellung von Schuld und Sühne in Frage stellt. Packend!“
TV Movie Digital
„Siegert sucht nach den Gefühlszuständen jenseits von Strafe und Vergeltung, beobachtet, wie sich die Hinterbliebenen langsam mit der direkten Konfrontation mit dem Täter auseinandersetzen. Siegert hat sich für den – einzig richtigen – Weg der distanzierenden Beobachtung entschieden.“
Badische Zeitung
„In einer der erschütterndsten Szenen schildert Lisa, wie sie hin- und hergerissen ist zwischen Hass und Vergebung. Der Hass ist ihr Dämon, er hetzt und würgt sie, und wenn Lisa dem Mörder ihres Bruders vergeben würde, dann hätte ihre Seele endlich Ruh. Nein, fällt sich diese großartige junge Frau selbst ins Wort, das wäre ein Tauschhandel, eine billige Ökonomie des Verzeihens, mit der sie ihren Bruder verraten würde.“
DIE ZEIT
BEYOND PUNISHMENT wurde auf dem 36. Filmfestival Max Ophüls Preis uraufgeführt und erhielt dort die Auszeichnung Bester Dokumentarfilm 2015. Außerdem wurde er nominiert für den Deutschen Filmpreis, Hessischen Filmpreis und mit dem Metropolis-Preis des Bundesverbands Regie für die beste Dokumentarfilmregie ausgezeichnet.
98 min, 1:1.85, DCP 5.1 © S.U.M.O. Film 2015
Drehbuch, Regie, Produktion: Hubertus Siegert
Schnitt: Anne Fabini
DOP: Marcus Winterbauer, Jenny Lou Ziegel
Sound department: André Zacher
Koproduktion: Udo Bremer, ZDF/3sat; Christian Popp, DOCDAYS
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