Hubertus Siegert:
Welche Maximen hatten Sie als Bezirksstadträtin für Bauen, Wohnen, Umwelt?
Dorothee Dubrau:
Es gibt zwei. Die eine ist: die enormen Sanierungsaufgaben im Prenzlauer Berg so durchzuführen, daß sie für die Bewohner verträglich sind, daß sie hinterher bessere Wohnungen haben und sich auch das gesamte Umfeld verbessert. Das zweite ist eine stadtplanerische Maxime. Ich bin jemand, die sich dafür einsetzt, daß die Stadt so, wie sie zur Zeit vorhanden ist, auch in die neue Stadt übergeht. Während dauernd von der Politik gesagt wird: Berlin wird, gehe ich davon aus: Berlin ist. Berlin soll sich weiter entwickeln, soll aber das nehmen, was aus der Vergangenheit vorhanden ist.
Hubertus Siegert:
Warum wurde noch so viel abgerissen, obwohl die Stadt doch schon sehr freigeräumt war?
Dorothee Dubrau:
In den ersten Jahren nach der Wende war der erste Grund die besondere Steuerpolitik. Nur bei Neubauten waren Abschreibungen von 50% möglich, was natürlich Investoren dazu gebracht hat, überhaupt nicht zu gucken, was dort ist. Dazu kam, daß die Ausnutzung eines Grundstückes, wenn neu gebaut wird, rein quadratmeter-mäßig viel höher ist als im Altbau. Auf diese Art und Weise beeinflußt der Staat sehr intensiv die Stadtentwicklung.
Hubertus Siegert:
Und in welche Richtung?
Dorothee Dubrau:
Meine Forderung an die Politik der höheren Ebenen war immer zu gucken, wie ist der tatsächliche Bedarf? An vielen Stellen haben wir am Bedarf vorbei geplant, wird auch heute noch am Bedarf vorbei geplant. Die Stadt sollte sich auf die Forderung nach einem kompakten Innenstadtbereich verständigen. Wir müssen einerseits dort zusätzlich Freiflächen anbieten, um das Leben lebenswerter zu machen, andererseits aber ist unsere Hauptaufgabe, daß wir die Innenstadt so massiv wie möglich entwickeln und die Wege für die Bewohner zwischen Wohnen und Arbeiten verkürzen.
Hubertus Siegert:
Wie kam es zu der enormen Hast nach 1989?
Dorothee Dubrau:
Das hängt mit der besonderen Situation in Berlin zusammen. Kohl hatte blühende Landschaften versprochen. Es galt zu zeigen, daß innerhalb kürzester Frist tatsächlich in enormen Größenordnungen gebaut wird. Es sind gute Sachen dabei entstanden, das ist überhaupt nicht das Thema. Aber es gibt auch Katastrophen. An Stellen, wo ein Bauvorhaben nicht sofort zum Zuge gekommen ist und man sich noch ein zweites oder ein drittes Mal überlegt hat, wie die Entwicklung laufen soll, sind die Ideen besser geworden. Für mich ist Stadtentwicklung kein Prozess, der drei oder zehn Jahre dauert, sondern eigentlich ein Jahrhundertprozess. Eine Stadt wird sich immer weiter entwickeln, wird Bereiche haben, die liegen gelassen, und solche, die schneller entwickelt werden. Das ist gerade das besondere. Manchmal denke ich, wir sollten unseren Kindern auch noch ein bißchen Platz lassen, in der Stadt etwas zu bauen.